Erfolgreiche Epilepsietherapie: Echtes Teamwork ist gefragt

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Herr Zabler, vor rund zehn Jahren haben Sie die Diagnose Epilepsie erhalten. Wie kam es dazu und wie ging es Ihnen damit?

Nicolas Zabler: Meine Diagnose einer juvenilen myoklonischen Epilepsie erhielt ich mit 17 Jahren, als ich gerade den Führerschein gemacht hatte und mitten im Abitur steckte. Meiner Mutter waren während des Autofahrens Muskelzuckungen aufgefallen und im Deutschunterricht wunderte sich meine Lehrerin, dass ich geschriebene Sätze manchmal nicht zu Ende brachte.

Der niedergelassene Neurologe, den ich aufsuchte, stellte zwar die richtige Diagnose, aber die verschriebenen Medikamente wirkten nicht. Aus diesem Grund beschloss ich, sie nicht mehr zu nehmen. Ein anderer Neurologe, bei dem ich eine Zweitmeinung einholte, bestätigte die Diagnose. Die Medikation war aber wieder nicht optimal.

Wie erklären Sie sich, dass die Behandlung damals nicht erfolgreich war?

Insgesamt drei Neurologen, bei denen ich während dieser Zeit in Behandlung war, stellten zwar alle die richtige Diagnose, allerdings trug sie jedes Mal einen anderen Namen – was vermutlich der häufigen Umbenennung von Epilepsiesyndromen geschuldet war. Gepaart mit der Feststellung, dass die Medikamente, die ich damals erhielt, keine Anfallsfreiheit erzielten, förderte dies nicht unbedingt mein Vertrauen. Dazu kam, dass ich damals in einem Alter war, in dem ich die Tatsache, eine chronische Erkrankung zu haben, nur schlecht akzeptieren konnte. Eine solche Diagnose willst du als Heranwachsender überhaupt nicht hören.

Heute sind Sie anfallsfrei. Wie kam es dazu?

Ausschlaggebend war ein großer Anfall (generalisierter tonisch-klonischer Anfall), den ich 2017 während eines Wochenendes mit Freunden in Hamburg erlebte. Ich hatte – entgegen meiner sonstigen Gewohnheit – Alkohol getrunken. In den frühen Morgenstunden kam es dann durch den Abbau des Alkohols im Körper zu dem Anfall. Nach diesem Erlebnis musste sich einfach etwas ändern.

Dieser Anfall war demnach ein Wendepunkt. Was haben Sie danach anders gemacht?

Ich stellte mich in Heidelberg in der Epilepsie-Ambulanz der Universitätsklinik vor. Dort wurde ich noch einmal gründlich untersucht. Die Diagnose blieb, nur die Medikation wurde geändert. Durch die richtige Einstellung bin ich seitdem anfallsfrei und kann mit den geringen Nebenwirkungen aktuell gut leben.

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Nicolas Zabler an seinem Arbeitsplatz am Universitätsklinikum Freiburg (Quelle: Zabler)

Was schlussfolgern Sie daraus?

Epilepsie-Patientinnen und -Patienten sollten sich viel früher in Epilepsie-Zentren oder spezialisierten Praxen vorstellen! Epilepsie ist ein Oberbegriff für eine ganze Bandbreite individueller Erkrankungen. Entsprechend stehen Ärztinnen und Ärzte vor der Herausforderung, auf Basis von Anamnese und geschilderten Symptomen die richtige Diagnose zu finden und die jeweilige Therapie festzulegen. Das erfordert große Erfahrung und Spezialwissen.

Was gehört Ihrer Meinung nach noch zu einer guten Behandlung?

Ärztinnen und Ärzte sollten Patientinnen und Patienten alle relevanten Informationen zur Verfügung stellen. Welche Diagnose wurde gestellt? Welche Therapiemöglichkeiten gibt es? Und wichtig: Welche Auswirkungen hat die jeweilige Therapie – abgesehen von der erhofften Anfallsfreiheit – auf den Patienten/die Patientin? Dabei sind auch langfristige Aspekte anzusprechen. Ein Medikament, das einer heute 16-Jährigen zur Anfallsfreiheit verhilft, ist in einigen Jahren vielleicht problematisch, wenn die Patientin eine Familie plant.

Was wünschen Sie sich noch von Ihrem Arzt/Ihrer Ärztin?

Beim Gespräch mit ihren Patientinnen und Patienten sollten Ärztinnen und Ärzte nicht nur die aktuellen Symptome oder mögliche Nebenwirkungen der Medikation abfragen. Vielmehr sollten sie die Patientin/den Patienten nach ihrer/seiner Lebenssituation und ihren/seinen Wünschen an die Therapie befragen. Eine Patientin/ein Patient, die/der mit ihrer/seiner aktuellen Medikation zwar anfallsfrei, aber immerzu müde und daher im Alltag eingeschränkt ist, hat möglicherweise ein anderes Therapieziel als die reine Anfallsfreiheit. Um dies herauszufinden, braucht es Einfühlungsvermögen der Ärztin/des Arztes und ein gutes Vertrauensverhältnis zwischen Ärztin/Arzt und Patientin/Patient, die es den Patientinnen und Patienten ermöglichen, sich zu öffnen.

Foto: © Alexander Raths – stock.adobe.com

Und was können Patientinnen und Patienten selbst zu einer erfolgreichen Therapie beitragen?

Patientinnen und Patienten sollten der Ärztin/dem Arzt ihre Wünsche an die Therapie klar kommunizieren. Dazu müssen sie sich mit ihrer Krankheit auseinandersetzen und begreifen, dass Epilepsie kein temporärer Schnupfen ist, sondern sie das ganze Leben lang begleitet.

Daneben ist es essenziell, mögliche Nebenwirkungen und Anfälle gut zu dokumentieren, beispielsweise mit einem Anfallstagebuch – in Papierform oder per App. Insbesondere zum Erstgespräch hilft es, sich von jemandem begleiten zu lassen, der das Anfallsgeschehen „von außen“ schildern kann.

Wie sollten sich Patientinnen/Patienten ihrer Ärztin/ihrem Arzt gegenüber verhalten?

Damit Patientinnen und Patienten die für sie optimale Therapie erhalten, müssen sie sich ihrer Ärztin/ihrem Arzt öffnen und von ihrer Lebenssituation (Familie, Beruf, Hobbys) berichten. Vor allem aber müssen sie sich trauen, die Informationen, die sie von ihrer Ärztin/ihrem Arzt erhalten, zu hinterfragen. Beispielsweise, was bedeutet das ganz konkret für meine Situation? Warum bekomme ich gerade diese Therapie? Welche Auswirkungen hat sie auf mich persönlich, auch langfristig? Die Konsequenzen einer Therapie trägt man schließlich selbst und nicht die Ärztin/der Arzt. Wer sich zudem über seriöse Quellen über seine Form der Epilepsie informiert, kann außerdem auf Augenhöhe mit seiner Ärztin/seinem Arzt sprechen und mit ihm gemeinsam die beste Therapieentscheidung treffen.

Vielen Dank für das Gespräch!

DE-N-DA-EPI-2200012            Aktualisierung: Oktober 2022

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