Leben mit Epilepsie - Anjas Erfahrungsbericht

Plötzlich Epileptikerin nach Inlineskate-Unfall​

Mein Leben nahm im Jahr 2002 eine unerwartete Wendung, als ich einen Unfall beim Inline-Skaten hatte. Nach dem Sturz hatte ich schwere kognitive und neurologische Probleme, später kam noch ein Zittern der Gliedmaßen hinzu. Das daraus resultierende Fahrverbot führte dazu, dass ich meinen Job als Abteilungsleiterin verlor.

Meine Symptome wurden immer schlimmer und einige Monate später wurde bei mir Epilepsie diagnostiziert. Während mir tägliche Anfälle und Nebenwirkungen zu schaffen machten, kommentierte mein damaliger Neurologe dies mit einem schlichten „Pest oder Cholera.“

Diagnose Epilepsie – das Beste draus machen​

Ich hätte nun in eine tiefe Depression und Selbstmitleid fallen oder einfach das Beste daraus machen können. Aufgeben war aber nicht wirklich eine Option und so begann ich mein Umfeld über meine Epilepsie aufzuklären und darüber zu informieren, was im Falle eines Falles zu tun ist.

Mein erstes Jahr der Symptome und des Lebens mit Epilepsie schrieb ich auf. Ich hatte ein solches Buch gesucht und nicht gefunden, deswegen schrieb ich ungefiltert, humorvoll und sarkastisch, direkt vor und nach Anfällen, nachts und immer dann, wenn die Emotionen ihren Weg suchten.

Diese Offenheit und mein Humor erleichterten auch den Menschen den Umgang mit mir und meinen Anfällen. Man wagte sich, mir Fragen zu stellen und mit mir über meine Epilepsie, Vergesslichkeit und andere Begleiterscheinungen zu lachen. Das wiederum half mir, meiner Familie und meinen Freunden. Nach einem Jahr war mein erstes Buch vollendet und ich verzichtete bewusst auf eine Überarbeitung. Ich wollte, dass die Menschen einen Anfall genauso ungeschminkt nachvollziehen können, wie ich ihn erlebe, und dass Betroffene sich wiedererkennen.

Meine neuen Wege als Epilepsie-Botschafterin

Dieser Erstling, „Epi on board – ich glaub` ich krieg `nen Anfall“ ebnete mir einen neuen Weg im Leben. Ich wurde Epilepsie-Patientenbotschafterin, lernte viele andere Betroffene und Ärzte kennen und durfte auf diesem Weg enorm viel über Epilepsie lernen und sie besser verstehen.

Mir wurde klar, dass dieses Verstehen der beste Weg im Umgang mit Epilepsie ist. Wissen ist Macht. Ich führte genauestens Tagebuch und konnte auf diesem Weg meine individuellen Anfallsauslöser herausfiltern. Das empfand ich als positiv, denn ich wusste nun, diese Auslöser zu vermeiden und damit meine Anfälle zu reduzieren. „Wenn ich meinen Gegner kenne, kann ich ihn wirksam bekämpfen“, davon war ich überzeugt. Und so langsam kannte ich ihn. Doch auch meine Familie und Freunde wussten mit meinen Anfällen umzugehen und erkannten oft schon früher als ich, wenn sich ein Anfall seinen Weg bahnte. „Das sieht man dir an“, meinten sie. Diese gegenseitige Offenheit ermöglichte mir die Teilnahme an vielen Unternehmungen, die ich ansonsten vielleicht nicht gewagt hätte.

Die Epilepsie bedurfte bei mir einer beruflichen Neuorientierung

Beruflich gesehen lief es dagegen nicht sonderlich rund. Die mangelnde Verkehrsanbindung unseres Ortes, gepaart mit meinen Anfällen und Nebenwirkungen, waren ein echtes Hindernis. 

Aus diesem Grund nutzte ich meine kreativen Hobbies und machte mich mit einer Galerie selbstständig. Das Malen und andere Arbeiten machten mich glücklich, jedoch bekam ich durch jede Medikamentenumstellung Rückschläge und ich konnte oft nicht das leisten, was ich hätte leisten müssen. Die Mixtur Epilepsie und andere chronische Erkrankungen bremsten mich mehr, als ich mir das eingestehen wollte.

Vor einigen Jahren fand ich die passende Lösung für mich. Ich gebe Computerkurse für Senioren, erstelle Webseiten etc. Bis auf die Kurstermine kann ich mir die Arbeit frei einteilen, was mir unglaublich hilft. Daneben haben die Senioren jegliches Verständnis für Sprachstörungen, Vergesslichkeit und andere Kleinigkeiten.

Dazu veröffentlichte ich vier Bücher. Trotz immer wiederkehrender gesundheitlicher Einbrüche lasse ich mir die Lust aufs Leben nicht nehmen, und gemeinsam mit meinem Mann und meinen mittlerweile erwachsenen Kindern finde ich immer wieder positive Aspekte, die die Epilepsie in meinem Leben ausgelöst hat. Auf meiner Webseite und in meinen Blogs nutze ich meine Erfahrungen um Anderen ein Leben mit Epilepsie zu erklären und Betroffenen Mut zu machen. Neben einem Comedy Buch habe ich noch drei Bücher zum Thema Epilepsie veröffentlicht: „Epi on board – ich glaub`, ich krieg `nen Anfall„, „Epilepsie, 100 Fragen die Sie nie zu stellen wagten„, sowie „Epilepsie, 100 neue Fragen die Sie nie zu stellen wagten“ (Beide zusammen mit Dr. Krämer, Zürich).

Irgendwie hat mich die Krankheit bereichert

Mein Leben — und das meiner Familie — wurde zwar durch die Epilepsie komplett auf den Kopf gestellt, aber trotz schwerer Zeiten hat sich alles positiv entwickelt. Rückblickend hat es uns gezeigt, was wirklich im Leben zählt: Eigenverantwortung, unbändige Freude an den kleinsten Dingen, und die Wertschätzung an allem, was ich habe und tun kann. Dies bereichert mein Leben und macht mich glücklich. Trotz oder vielleicht gerade wegen der Epilepsie.

Für alle diejenigen, die mir folgen möchten und für die Krankheit Epilepsie alle Tabus brechen möchten: Besucht regelmäßig meinen Blog und diskutiert mit. 

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